Last Updated on 11. November 2023 by Henning Schweer
Totensonntag scheint mir ein gänzlich aus unserer hektischen und konsumorientierten Zeit gefallener Tag. Ein Tag, der immer mehr verdrängt wird, beginnen doch inzwischen an diesem Tag immer mehr Adventsmärkte, was ich persönlich nicht nachvollziehen kann. Handelt es sich doch um den letzten Sonntag des Kirchenjahres, der dem Gedenken an die Verstorbenen gewidmet ist. Auch das Konsumfest der “Black-Friday-Aktionstage bzw. -Wochen” scheint inzwischen bei uns ein bedeutenderes gesellschaftliches Ereignis zu sein, als Trauer, Erinnerung und Besinnung zumindest einen Tag im Jahr Priorität einzuräumen.
Eine Entwicklung, der ich persönlich sehr wenig abgewinnen kann, Schnäppchen jagen und Glühwein trinken könnte man schließlich auch einen Tag später. Um einen kleinen Kontrapunkt zu setzen, habe ich in diesem Beitrag eine Auswahl meiner persönlichen Gebete und Gedichte zusammengestellt, die ich mit dem Totensonntag verbinde.
Totenstille
Der Tod hat mich
verstummen lassen,
ich stehe vor den Gräbern
und finde keine Worte,
ob zu erinnern, ob zu trösten,
Trauer und Schrecken,
Kummer und Leid,
raubten meine Stimme.
Gott, Du rufst die Toten
bei ihrem Namen,
wieviel Zeit auch vergeht,
bei Dir ist alles bewahrt,
all den Vergessenen,
schaffst Du Gerechtigkeit,
allen, die gelitten,
schenkst Du Trost.
Gott, über die Schatten,
gießt Du Dein Licht,
das nie verlischt,
wie eine Flamme
über dunklen Wassern
strahlt deine Herrlichkeit,
wie das Morgenlicht
erweckt sie die Toten.

Staub und Asche
Was bleibt?
Staub und Asche,
wie trocken Gras im Feuer
werden wir verzehrt,
in einem Augenblick schon
verweht im Wind.
Mühen und Plagen,
niemals werden wir satt,
kein Ding gibt uns Halt,
so viel wir auch raffen,
alles lassen wir zurück,
schon verloren, wenn gewonnen.
Gott, ich bitte Dich,
gib meinem Herzen Ruhe,
schenk mir Frohsinn
und Bescheidenheit,
dass Angst und Gier
mich nicht verzehren.

Herr der Stille
Gott, Herr der Stille,
zwischen den Bäumen
suche ich Dich,
im grüngoldenen Licht
zwischen den Blättern,
im Rauschen des Windes
in den Wipfeln.
Gott, Herr der Stille,
mein Herz ist so schwer
vor Kummer,
keine Worte können ihn
von mir nehmen,
noch so viel Zeit
ihn vertilgen.
Gott, Herr der Stille,
mit den Toten
warte ich im Wald,
bei den Gräbern
spreche ich mein Gebet
mit lautlosen Lippen,
dass der Wind es zu Dir trägt.

Im Wald
Im Wald, zwischen den Bäumen,
ruhst du,
so lange schon,
das Licht scheint durch die Bäume,
Sommer und Winter,
Frühjahr und Herbst.
Ich stehe an deinem Grab
und spreche zu dir,
der Wind flüstert in den Wipfeln,
fern rauscht das Leben,
Sommer und Winter,
Frühjahr und Herbst.
Blätter wachsen, fallen hernieder,
dein Baum steht unverändert,
Jahr für Jahr,
blicke ich an ihm empor,
Sommer und Winter,
Frühjahr und Herbst.
Im Wald besuche ich dich,
bist du hier,
zwischen den Bäumen,
wie oft gehe ich diesen Pfad,
Sommer und Winter,
Frühjahr und Herbst.
Die Texte entstammen meinen beiden Gedichtbänden “Januarstrand” und “Gekritzel auf meiner Haut”.

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Externe Links: “Januarstrand” und “Gekritzel auf meiner Haut” im Buchhandel.