Last Updated on 19. December 2023 by Henning Schweer
Pflichtdienst, ja bitte: Die Ereignisse der letzten drei Jahre lassen sich in meinen Augen gut unter der Überschrift Das Ende der Illusionen zusammenfassen. Sie haben gezeigt, dass wir als Land und als Gesellschaft weder ausreichend auf innere Krisen wie Pandemien und Flutkatastrophen noch auch auf außenpolitische Bedrohungen vorbereitet sind. In einem früheren Artikel habe ich schon ausgeführt, welche Lehren wir meiner Meinung nach aus der Corona-Pandemie ziehen sollten. Ereignisse wie die Flutkatastrophe 2021 und die aktuellen geopolitischen Krisen zeigen aber für mich, dass wir uns noch weitergehende Gedanken über die Ausrichtung unserer Gesellschaft machen müssen. Aus meiner Sicht gehört dabei die Diskussion über einen allgemeinen Pflichtdienst dazu.
Ich bin der Auffassung, dass die Aussetzung des alten Wehr- und Zivildienstes im Jahre 2011 ein Fehler war. Dem widerspricht nicht, dass es an der Ausgestaltung des damaligen Pflichtdienstes viele Kritikpunkte und Gerechtigkeitsprobleme gab. Statt einer defacto Abschaffung, wäre aber eine grundlegende Reform weitaus sinnvoller gewesen. Dass es statt einer Reform aber zu einer dauerhaften Aussetzung kam, passt wohl gut in ein gesellschaftliches Klima, das einer einseitigen Fixierung auf Selbstbezogenheit, Anspruchsdenken und Konsumismus Vorschub leistet.
Persönlicher Einsatz in das Gemeinwesen wird nur noch als zumutbar angesehen, wenn er völlig zur eigenen Lebensplanung und zu den individuellen Wünschen passt, sprich letztlich auch nur wieder der persönlichen Selbstverwirklichung bzw. -befriedigung dient. Alles andere wird als Zumutung und Belästigung empfunden. Eine einseitig ich-bezogener und verengter Freiheitsbegriff, der auch beim Thema Corona fatale Auswirkungen hatte und hat.
Ein Pflichtdienst stärkt das Gemeinwesen
Eine allgemeine Dienstpflicht wäre ein Baustein, dieser negativen Entwicklung entgegenzutreten. Sie böte die Möglichkeit, uns alle wieder näher an unser Gemeinwesen heranzuführen und unabhängig von unserem persönlichen Status, Klasse, Rang etc. von uns allen Einsatz für dasselbige einzufordern. Sie böte zudem die Möglichkeit, Menschen aus den unterschiedlichsten Teilen unserer Gesellschaft zusammenzubringen, um gemeinsam gesellschaftliche Verantwortung zu leben. Wichtig wäre dabei, dass die Dienstpflicht dabei möglichst alle umfasst und gerecht ausgestaltet ist. Zudem müssten die möglichen Aufgaben einen realen Mehrwert für das Gemeinwesen darstellen und dürften nicht nur Dienst um des Dienstes willen sein.
Eine allgemeine Dienstpflicht muss dabei nicht als eine einmalige Sache ausgestaltet sein. Es spricht in meinen Augen viel dafür, die Ausgestaltung eher an der Idee des Milizsystems auszurichten. Neben einer ersten längeren Dienstzeit nach Ende der Schulzeit bzw. nach der Volljährigkeit kämen dann (bis zu einem bestimmten Alter) kürzere Zeiten, in denen die frühere Diensttätigkeit wieder ausgeübt oder aufgefrischt wird. Auch sollte es die Möglichkeit geben, sich nebenberuflich in der Organisation des Pflichtdienstes und der damit verbundenen Tätigkeiten auch außerhalb der Dienstzeit(en) zu engagieren.
Dies böte u.a. den Vorteil, dass für Krisenzeiten größere Teile der Bevölkerung als Reserve zur Verfügung stünden. Dabei müssten Regelungen getroffen werden, diese wiederholten kürzeren Dienstzeiten mit dem Berufsleben zu koordinieren, etwa in dem sie Arbeitgeber entsprechend in die Pflicht nehmen bzw. Nachteile für Selbstständige und Freiberufler auffangen.
Welche Tätigkeitsfelder würden sich nun für einen Pflichtdienst anbieten? Nach den Erfahrungen der letzten Jahre wären das aus meiner Sicht insbesondere der Zivilschutz, der Wehr- und der soziale Bereich sowie der Klimaschutz. Eine Gewichtung zwischen diesen Tätigkeitsfeldern ist meiner Meinung nach nicht sinnvoll, da sie alle einen wichtigen Anteil an der Bewältigung der derzeitigen und künftigen Herausforderungen unserer Gesellschaft haben. Welche Tätigkeiten im Einzelnen innerhalb dieser vier Bereiche genau für eine Dienstpflicht geeignet sind, muss Bestandteil einer intensiven Debatte sein, um zu verhindern, dass eine kontraproduktive Konkurrenz mit professionellen Tätigkeiten – etwa in der Pflege – entsteht.
So sinnvoll die Idee eines Pflichtdienstes erscheinen mag, ist eine Umsetzung auch realistisch? Das Meinungsbild in der Bevölkerung scheint gespalten zu sein. Auch wenn in den letzten Jahren einige Umfragen eine größere Zustimmung zur Idee eines Pflichtdienstes gezeigt haben, so sinkt die Zustimmung doch rapide, sobald es um die konkrete Umsetzung oder gar um eine persönliche Verpflichtung geht. Angesichts der Krisen und Herausforderungen der vergangenen Jahre sollten wir Befürworter uns von solchen Zahlen jedoch nicht entmutigen lassen, sondern uns umso mehr für diese Idee einsetzen.
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