Last Updated on 29. September 2024 by Henning Schweer
Laufen im Herbst: vielen erscheint die beginnende dunkle Jahreszeit wenig motivierend, um mit dem Laufen anzufangen oder weiterzumachen. Zu dunkel, zu nass, zu kalt sind die häufigsten Argumente. Auch der angebliche Herbstblues wird gerne angeführt. Der menschliche Geist ist ausgesprochen kreativ, darin, Ausreden zu erfinden und sich selbst zu belügen, um körperliche Bewegung zu vermeiden und Bequemlichkeit zu rechtfertigen. Diese Form der Selbsttäuschung beherrschen wir Menschen perfekt. Es gibt aber gute Gründe, auch im Herbst weiter auf körperliche Aktivität und hier speziell aufs Laufen zu setzen. Für mich sind die Folgenden fünf Gründe besonders ausschlaggebend.
Grund 1: unser Körper ist fürs Laufen gemacht
Der erste Grund ist der einfachste: unser menschlicher Körper ist für Bewegung und hier speziell fürs Laufen gemacht. Wir sind evolutionär eigentlich darauf ausgelegt, täglich für die Nahrungsbeschaffung oder auf der Flucht vor Fressfeinden weite Strecken zurückzulegen. Da kam in grauer Vorzeit schnell täglich ein Halb- oder ein ganzer Marathon zusammen. Lange Phasen der körperlichen Inaktivität waren unseren Vorfahren schlicht nicht möglich, wenn sie überleben wollten.
Unsere heutige fast ausschließlich sitzende und auf Bildschirme (Smartphone, Fernseher, Tablett, PC…) starrende Lebensweise ist aus diesem Grund absolutes Gift für unseren Körper und für unsere Psyche. Der katastrophale Bewegungsmangel unserer modernen Lebensweise führt zu den unterschiedlichsten physischen und psychischen Störungen und Erkrankungen. Ob Herbst, Winter, Frühjahr oder Sommer: die positiven gesundheitlichen Effekte eines vernünftigen und individuell angepassten Lauftrainings sind so groß, dass sich der Einstieg und das Dranbleiben immer lohnt.
Grund 2: Laufen hilft gegen den Winterspeck
Um es vorwegzusagen: von Sport allein, nimmt fast niemand ab. Erfolgreiches Abnehmen besteht in der Regel immer aus Sport und Ernährungsumstellung. Der Grund ist einfach: um abzunehmen, braucht es ein dauerhaftes Kaloriendefizit. Der Körper muss mehr verbrauchen, als er zu sich nimmt. Viele Menschen erliegen der Illusion, durch den direkten Kalorienverbrauch beim Training, dieses Defizit herstellen zu können. Unser Körper ist aber ein Wunderwerk: er kann ziemlich viel Leistung aus wenig Kalorien erzeugen. Die einzelne Trainingseinheit bringt also für die Kalorienbilanz wenig.
Trotzdem ist Laufen eine gute Methode, um einer Gewichtszunahme in der kalten Jahreszeit vorzubeugen und langfristig Gewicht zu reduzieren. Regelmäßiges Training führt nämlich zur Stärkung und zum Aufbau von Muskulatur und ein muskulöser, sportlicher Körper verbraucht auch in Ruhe schlicht mehr Energie als ein untrainierter Organismus. Sport erhöht also den energetischen Grundumsatz des Körpers, was dann wiederum beim Abnehmen hilft, weil sich dadurch leichter ein Kaloriendefizit herstellen lässt. Laufen gehen ist eine langfristige Investition gegen den Winterspeck.
Trotz dieses Effektes werden allerdings die meisten von uns trotzdem zugleich ihre Ernährungsgewohnheiten hinterfragen müssen, um abzunehmen. So viele Muskeln können wir in der Regel gar nicht aufbauen, um damit allein unseren westlichen Ernährungsstil völlig zu kompensieren.
Grund 3: Laufen ist gut für die Psyche
Viele Menschen beklagen sich im Herbst über fehlende Motivation, Antriebslosigkeit und depressive Verstimmungen. Angesichts der Tatsache, dass sich im Zuge der längeren Dunkelheit, Kälte und Nässe die meisten Menschen noch mehr in Innenräumen aufhalten und noch weniger bewegen als sonst, ist dies auch kaum verwunderlich. Hier ist das Laufen ein direktes Gegenmittel, insbesondere wenn es draußen erfolgt und nicht in irgendeinem Studio auf dem Laufband (wobei das immer noch besser ist als gar nichts zu tun).
Körperliche Bewegung fördert direkt den Abbau von Stresshormonen und setzt im Gehirn Botenstoffe für positive Gefühle frei. Zugleich fördert körperliche Aktivität die Selbstwahrnehmung und das Gefühl der Selbstwirksamkeit. Gerade in unserer heutigen Zeit, in der wir ständig mit negativen Botschaften über die Medien, Internet und Social Media bombardiert werden, ist Bewegung ein zentraler Schlüssel, um die negativen körperliche und seelischen Auswirkungen dieses Dauerstresses abzubauen. Also weg vom Fernseher und vom Smartphone und raus zum Laufen.
Am besten Du lässt das Smartphone dabei gleich zu Hause und läufst ohne Ablenkung durch Musik, Podcasts oder Telefonanrufe. Nutze die Laufzeit für echte Seelenhygiene und halte sie frei vom sinnentleerten Dauerrauschen unserer hysterischen Konsumgesellschaft. Im Herbst und noch mehr im Winter hast Du dabei meist auch noch das Glück, dass Du beim Laufen draußen mehr Ruhe hast als im Sommer. Es sind einfach weniger Menschen unterwegs und kommen Dir daher auch beim Laufen weniger in die Quere. Genieße also diese Zeit für Dich.
Grund 4: Laufen geht immer
Das schöne am Laufen ist, dass Du es prinzipiell überall und ohne großen Aufwand machen kannst. Außer vernünftigen Laufschuhen gibt es wenig, in das investiert werden muss. Für die dunklere Jahreszeit bietet sich als weitere Ausgabe Funktionswäsche an, die gut vor Wind und Nässe schützt und trotzdem atmungsaktiv ist. Aber auch hier musst Du keine Unsummen investieren, es gibt genug passende Produkte zu einem vernünftigen Preis. Ich selbst habe nie große Beträge für meine Laufkleidung ausgegeben und komme trotzdem mit dieser sehr gut bei schlechterem Wetter zurecht.
Mit passender Kleidung gibt es auch keine Ausreden: auch bei Nässe, Kälte und Wind kann man so ohne Probleme draußen Laufen gehen. Meiner Erfahrung nach sind eigentlich nur wirklich starker Regen, Sturm und Glatteis problematisch. Ich selbst laufe sogar lieber bei kühleren Temperaturen und leichtem Regen, dann sind die Wege nicht voller Passanten und anderer Läufer. Denk daran: Ausreden zu finden, um sich nicht zu bewegen, ist nie ein Problem: im Sommer zu heiß, immer Winter zu kalt, irgendwas ist immer.
Grund 5: Laufen hilft der Gesellschaft
Dieser letzte Grund fürs Laufen mag in unser ich-fixierten und konsumistischen Gesellschaft vielen seltsam anmuten, aber er ist für mich von hoher Bedeutung. Unsere Gesellschaft nimmt meiner Meinung nach insgesamt Schaden durch unseren trägen Lebensstil. Lassen wir uns von den Bildern und Geschichten sportlicher Menschen in den Medien und unseren Social-Media-Bubbles nicht täuschen: die breite Mehrheit der Bevölkerung bewegt sich viel zu wenig. Bereits 2018 – also noch vor der Corona-Pandemie – bewegten sich nur 43% der Bundesbürger ausreichend. Dabei ging es hier schon um eine sehr niedrige Bewegungsrate von gerade mal 150 Minuten moderater Bewegung in der Woche (!). Nichts im Vergleich dazu, wozu unser Körper eigentlich ausgelegt ist.
Statt Bewegung ist Sitzen angesagt. Im Jahre 2018 waren es 7,5 Stunden, 2021 dann schon 8,5 Stunden am Tag. Junge Erwachsene zwischen 18 und 29 Jahren sitzen inzwischen sogar im Schnitt 10,5 Stunden täglich. Die Auswirkungen und Kosten für unsere Gesellschaft und unsere Sozialsysteme sind verheerend. Übergewicht, ein erhöhtes Risiko für Diabetes Typ 2, Arthritis, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Rückenbeschwerden usw. breiten sich immer weiter aus. Im Bereich der Psyche erhöht Bewegungsmangel das Risiko für psychische Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen, allgemeine Antriebslosigkeit und Stress.
Ich glaube, dass ein großer Teil des zunehmend neurotischen Verhaltens in der deutschen Bevölkerung – neben den negativen Auswirkungen unserer einseitig konsumistisch geprägten Gesellschaft und des (Soziale-)Medienkonsums – auf die Folgen des allgemeinen Bewegungsmangels zurückzuführen ist. Vor diesem Hintergrund trägt jeder, der sich dieser stillen Pandemie des Bewegungsmangels durch eigene Anstrengung entgegenstemmt auch etwas Positives für unsere Gesellschaft als Ganzes bei. Sei es, weil er körperlich gesünder wird und damit unsere Sozialsysteme entlastet, sei es, weil er psychisch ausgeglichener und weniger neurotisch wird und sich damit gegen den gesellschaftlichen Trend des Neurotizismus und ich-fixierter Aggression wendet.
Tu also etwas Gutes für Dich und für die Gesellschaft: schnüre Deine Laufschuhe, geh nach draußen und genieße die positiven Effekte des Laufens auch im Herbst.
Falls Du bisher keinen, wenig oder lange keinen Sport betrieben hast, findest du in diesem Beitrag ein paar Tipps, wie du gut starten kannst.
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